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Wie das Reisen Freundschaften verändert – und die eigene Sicht auf Freundschaft gleich mit

Wenn Goldsucher früher ausgezogen sind, suchten sie das Abenteuer. Wenn wir heute losziehen, suchen wir das Gold unserer Zeit – Kontakte mit inspirierenden Menschen, die uns auf unserem Lebensweg weiterbringen. Das Schöne ist, dass es sich bei dieser Art von Goldschürfen nicht einmal um anstrengende Arbeit handelt. Auf Reisen knüpfen wir schneller Freundschaften, die wir im Alltag mühsam in der Krabbelgruppe oder im Yogakurs suchen müssten, weil allein schon die Tatsache, dass alle reisen, ein verbindendes Element ist. Das führt zwar hin und wieder auch dazu, dass wir den Smalltalk all derer sprechen, die lange als Familie unterwegs sind – „Wo wart ihr schon?“, „Wie lange reist ihr denn?“, „Und mit Kind so?“ – in vielen Fällen aber haben wir großartige und spannende Gespräche – eben weil die meisten Langzeitreisenden fesselnde Geschichten mit sich bringen.

Durch alle diese neuen Begegnungen sterben die Freundschaften zuhause aber nicht weg, sondern wir haben schlichtweg einen Korb voller Geschichten zu erzählen – was manchmal auch erfrischend sein kann, wenn man daheim auf dem Sofa sitzt und feststellt, dass sich die Welt für andere weitaus weniger schnell gedreht hat als für einen selbst. Es ist schön, alte und neue Freundschaften nebeneinander zu sehen – die alten bereichert durch unsere Reiseerlebnisse und die neuen im Fundament unseres erstarkten Selbstvertrauens ruhend.

Mentaler Hausputz

Das Reisen ist auch die Zeit, in der sich herausstellt, wer eigentlich die Freunde sind, die man vermisst und die sich melden. Abgesehen davon, dass es nie schlecht ist, zu wissen, wer die richtigen Freunde sind, kann es auch befreiend sein, sich von dem Ballast sozialer Verpflichtungen zu befreien, die einen über die Jahre nur belastet haben. Das muss nicht in erster Linie die Freunde betreffen, sondern kann über Mitgliedschaften im Sportklub bis hin zu Sammelleidenschaften oder Kleidungsstile so ziemlich jeden Aspekt des Lebens betreffen. Eine lange Reise ist auch eine Art mentaler Hausputz, bei dem sich herausstellt, was genau da oben eigentlich zwischen den Gewohnheitsfugen so wuchert. Wenn auf einer Reise die eigene Veränderung stärker in den Fokus rückt, besteht natürlich auch bei uns die Sorge, dass wir uns durch diese Erfahrung so verändern, dass wir bei der Rückkehr nach Deutschland feststellen, dass die alten, daheim gebliebenen Freunde gar nicht mehr so richtig passen.

Freundschaften müssen sich wandeln

Veränderung aber ist ein normaler Prozess im Leben und auf einer Weltreise wird dieser Prozess eben beschleunigt. Es gibt den Aberglauben, dass Freundschaften sich nicht wandeln dürfen. Das würde aber bedeuten, dass jede Beziehung im Leben – egal ob zum Toaster oder zur besten Freundin – erstarrt, sobald der entsprechende Gegenstand oder die atmende Person länger als zwei Minuten die Türschwelle der eigenen Wohnung überschritten hat. Freundschaften sind eben auch Beziehungen, und Beziehungen dürfen sich verändern, müssen es sogar, sonst schlafen sie ein, werden langweilig und zerbrechen irgendwann.

Es gibt Freundschaften, die ein Leben lang halten, aber es gibt auch Menschen, die uns nur eine Zeitlang begleiten und unser Leben prägen und bereichern – und das muss auch okay sein. Gerade unterwegs bekommt man ein Gespür für diese prägenden Momente, die einen auf einen völlig neuen Pfad des Denkens oder Reisens schicken, ohne dass die Urheber dafür länger in unserem Leben verweilen. Wie wunderbar dieses im Im-Moment-sein ist, und wie dankbar wir dafür sein sollten, sehen wir an den Freundschaften unserer Tochter.

Kinderfreundschaften auf Reisen

Kinder schließen schneller Freundschaft – und leben mehr im Moment. Lola findet immer und überall Freunde, ob jung oder alt, mit einer gemeinsamen Sprache oder einer fremden, sie tobt und albert mit so vielen verschiedenen Menschen herum und berichtet uns dann: „Mann nett, Freund“ und verabschiedet sich mit einem herzlichen „Bye Bye Freund“. Ihre Impulse und ihre Freude zieht sie aus diesen Begegnungen, die nicht im Mindesten an irgendeine zeitliche Dauer gebunden sind. Dafür können wir als Eltern nur dankbar sein, denn derartig zahlreiche Impulse könnten wir allein gar nicht setzen. Viele Impulse von uns sind gut, viele Freunde sind sehr gut. Lola lernt viel; lernt offen zu sein, die Menschen anzunehmen, wie sie sind und in jeder Sprache Freundschaften zu schließen. Hätten wir uns vor der Reise hingesetzt und diesen Artikel geschrieben, hätten wir vermutet, dass diesen Beziehungen die Beständigkeit fehlt. In der Realität sieht das Ganze allerdings anders aus: Viele Reisefreunde werden wieder und wieder getroffen, weil sich die Reiserouten zufällig kreuzen; Familie und Freunde aus Deutschland regelmäßig beskyped und wir verbringen oft Wochen, wenn nicht Monate an einem Ort. Das gibt Lola die Möglichkeit, auch langfristige Bindungen aufzubauen.

Trennungsschmerz unterwegs

Die andere Seite der Medaille, neben all der Freude und den vielen Impulsen der universalen Freundlichkeit unserer Tochter gegenüber ist die Trauer über das Auseinandergehen. Wir mussten schon schwer schlucken, als Lola dicke Kullertränen zu weinen begann, als unsere Freunde aus Gili Trawangan nach vielen gemeinsam verbrachten Wochen abgereist sind. Aber so viel Trauer kann nur empfunden werden, wenn uns etwas wichtig und bedeutsam ist und wir finden es schön, dass unsere Kleine so früh in ihrem Leben schon so viele Beziehungen führt, die für sie wichtig sind, die sie bereichern und – im Zweifelsfalle – nahe gehen.

Freundschaften machen uns zu erfüllteren Menschen; viele unterschiedliche Freunde, die ein Stück weit für unterschiedliche Lebensphasen stehen, sind wie ein kunterbunter Spiegel unserer selbst, in dem wir uns aus jeder Perspektive betrachten können. Dieses Kaleidoskop ist durch unsere Reise nun noch vielfältiger geworden – und dafür sind wir mehr als dankbar.

Von Josi und Olaf

Wir haben all unseren Mut eingepackt und sind dabei herauszufinden wer wir sind und wie wir als Familie leben wollen. Derzeit befinden wir uns in Südostasien auf Forschungsreise zu uns selbst.

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