Über Bali und andere verrückte Ideen
Eines Morgens wache ich plötzlich mit klopfendem Herzen und einer Idee auf. Das Morgenlicht sickert langsam träge in unser Schlafzimmer und ich wecke meinen Mann.
„Olaf, wir müssen nach Bali!“
Völlig verschlafen linst er mich über unsere fast-Einjahrige hinweg an und fragt: „Bali? Wo ist das überhaupt?“
Und dann recherchieren wir. Wir finden heraus, dass Bali in Indonesien liegt und wirklich ganz schön weit weg ist. Wir sehen Familien fröhlich grinsend auf dem Roller durch die Reisfelder düsen. Ein kalter Märzmorgen in Berlin erscheint im Vergleich lachhaft fade und unspektakulär. Wir finden heraus, dass diese fröhlich grinsenden Familien ihr Geld irgendwie online verdienen und lesen seitenweise Blogs von Anderen, die für ein paar Monate die Welt zu ihrem Zuhause machen.
Uns wird klar: das wollen wir auch. Wir wollen frei sein. Wir wollen uns nicht mehr durch Wäscheberge wühlen und nachts totmüde die chaotische Küche putzen. Wir wollen Tempel und Berge und die Füße ins Meer halten. Wir wollen Leichtigkeit. Wir wollen nach Bali.
Wenige Wochen später stehen wir mit zwei mittelgroßen Rucksäcken auf dem Rücken und unserer Tochter in der Trage an der Straßenbahnhaltestelle. Unsere Wohnungsschlüssel haben wir gerade an die Untermieter für 10 Monate abgegeben. Unseren Besitz haben wir zum großen Teil zu Geld gemacht, unsere Rentenverträge gekündigt. Nun soll es los gehen. Erster Stopp: Düsseldorf und dann soll es direkt nach Taiwan gehen. Das ist noch nicht direkt Bali, aber schon ziemlich nah dran. Und es ist dort ziemlich großartig.
Unsere Reise hat vor mehr als drei Jahren angefangen. Wir haben ziemlich schnell gemerkt, wie gut es uns tut, ganz frei zu sein. Wie viel besser wir uns um unsere Tochter kümmern konnten, sobald die Gedanken nicht mehr von Alltag und fremder Leute Erwartungen und Sockensuchen in Beschlag genommen werden. Wir haben gemerkt, wie gut es uns tut in fremde Kulturen einzutauchen und wie sehr unser kontaktfreudiges Kind inmitten von all den fremden Menschen und Gerüchen aufblüht.
Irgendwann haben wir es dann auch nach Bali geschafft. Und nach Thailand, Vietnam und Indien. Wir haben uns Stück für Stück in dieses Leben verliebt und irgendwann war klar: wir wollen nicht zurück. Wir wollen weiterhin unsere Tage frei gestalten. Schlafen, wenn es nötig ist und Arbeiten, wenn die Inspiration da ist. Wir wollen unser Kind frei aufwachsen lassen. Immerzu barfuß und in jedem Restaurant gern gesehen. Wir wollen an Orten leben, an denen die Menschen weltoffen und herzlich sind und uns mit oder ohne Nagellack an der Männerhand einfach so sein lassen, wie wir sind.
Inzwischen haben wir uns eine Home-Base im Norden von Thailand geschaffen und arbeiten unser Geld auch „irgendwie online“. Wir leben mit wenig Besitz, dafür mit umso mehr Zeit. Wir erziehen nicht, weder uns selbst, noch unser Kind. Wir haben über die letzten Jahre ein dichtes Netz an guten Freunden geknüpft, die wie wir teil-oder – Vollzeit um die Welt reisen. Diese Reise hierher war nicht immer leicht und das ist sie bis heute nicht. Aber sie ist für uns das richtige. Denn wir sind glücklich. Und wir sind frei. Und wenn ich morgens aufwache und finde, dass ich ganz dringend nach Bali muss, ist das nur einen Katzensprung entfernt.