Die Meere sind ein Müllhaufen. Ich habe eine einzige lebendige Koralle auf dieser Reise gesehen. In großen Wellen werden Felsbrocken an den Strand und gegen meine Schienbeine geschleudert, die ehemals als Biotop die Strände und das Leben auf ihnen geschützt haben. Jetzt sind sie schlammige Mondlandschaften. Als Josi und ich Kinder waren, war jeder Strand eine Spielwiese. Heute können wir Lola nicht einfach im Sand graben lassen, weil wir nicht wissen, was sie aufhebt. Eine Muschel oder einen Plastikdeckel? Eine Qualle oder den Boden einer Flasche?
Vor Monkey Island in Vietnam erstreckt sich ein Traumstrand, an dem tatsächlich Affen leben. Ich steige auf einen schartigen Felsen, um von oben ein gutes Foto der Bucht zu machen. Auf dem Weg nach oben blicke ich um mich. Hinter Monkey Island hat sich ein gigantischer Plastikstrudel gebildet, fast so groß wie die ganze Insel. Ich habe gehört, dass der Plastikmüll in den Meeren mittlerweile eine Fläche so groß wie Afrika bedeckt. Selbst auf tiefsten Tauchgängen in viereinhalb Kilometern Tiefe finden sich Zeichen unserer Zivilisation.
Diese Dinge zu hören, und sie dann wirklich zu erleben, sind zwei Paar Schuhe. Überhaupt, Schuhe. Wir haben am Strand von Ko Lanta mehr angespülte Schuhe gesehen als lebende Tiere. Schuhe sind vielleicht noch kurios. Kaffeepads und Kondome sind es nicht. Und was uns auffällt, ist nichts weiter als das sichtbare Plastik. Unter unseren Füßen zersetzt sich all der Unrat zu Mikroplastik – von unserem Hotelpersonal aus Unwissenheit regelmäßig am Morgen elegant unter der Sandnarbe des Standes verbuddelt. Aus den Augen, aus dem Sinn. Am Anfang haben wir noch gedacht, dass das Umweltproblem vielleicht nur die touristischen Strände betrifft und dass Gegenmaßnahmen eingeleitet sind. Nun ja.
In Vietnam sind viele der ehemals schönsten Strände zerstört und weggespült. Der Traumstrand von Mui Ne? Abgetragen bis zu den umgeknickten Sonnenschirmen der Hotels und so von Müll übersäht, dass man ohne Schuhe nicht einen Schritt gehen kann, geschweige denn baden will. Die Ironie des Ganzen ist, dass der Müll auf den Fotos, die wir gemacht haben, einfach nicht gut raus kommt. Unsere Abfall-Apokalypse fühlt sich auf Fotopapier immer noch wie ein Paradies an. In Nha Trang wird der Edelstrand systematisch sauber gehalten. Trotzdem bleibt einem alle paar Meter eine Plastiktüte am Bein kleben (und wir hoffen immer, es ist nur eine Plastiktüte und nichts Schlimmeres). In Hoi An gibt es einen der perfektesten Strände der Welt nicht mehr – nichts als Sandsäcke und abgestorbene Palmen. Nichts sieht so traurig aus wie eine abgestorbene Palme. Ein Stamm, der nach oben geht und im Nichts endet, wie abgebrannt.
In Hoi An ist es wohl die Kombination aus der Sandmafia, die auf hoher See allen feinen Sand für die Betonproduktion ausbaggert, das Verschwinden aller Dünen unter neuen Hotels (als ob dort noch einer wohnen wollen würde, ohne Strand) und einem neuen Damm zur Stromgewinnung im Landesinneren, der den Schwemmsand im Fluss zurückhält. So kann es sein, dass ein abfallfreier Strand innerhalb von sechs Jahren seit Josis letztem Besuch vollständig verschwindet. Gegenmaßnahmen gibt es praktisch keine. Die Ursache sind immer ein Taifun, oder andere unbeherrschbare Kräfte, nie ist es das eigene Verhalten, dass geändert werden muss. Es muss schon viel passieren, dass ich mich nach Gefängnisstrafen für Leute zu sehnen beginne, die ihr Kaugummipapier wegwerfen – wie in Singapur. Aber ich bin nahe dran.
Der Strand in Mui Ne war, als es ihn noch gab, übrigens noch viel schlimmer vermüllt als heute. Hätte man mir ohne Kommentar ein Foto gezeigt, hätte ich auf eine Müllkippe am Strand getippt.
Wir haben in Deutschland immer versucht, plastikfrei zu leben. Jetzt müssen wir plastikfrei leben, oder es lebt bald überall gar nichts mehr. Vielleicht klingt das militant, aber nur, wenn man den unbeherrschbaren Schmutz nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Wir fragen uns im Lauf unserer Reise häufig, ob die Menschen, die hier Urlaub machen oder leben, diese Katastrophe einfach so hinnehmen oder übersehen. Im Gespräch sagt uns einer unserer Mitreisenden: „Ich kann darüber nicht nachdenken, sonst macht mich das traurig.“ Uns macht es nur wütend zu sehen, wie ein Paradies nach dem anderen unter Abfall verschwindet. Leider gehört auch dieser Aspekt unserer Welt zum Reisen dazu. Derzeit arbeiten internationale Teams daran, Hoffnungspunkte im Meer einzurichten; Orte, die Ausgangspunkte für ein ökologisches Miteinander mit den Ozeanen sein könnten, Epizentren der langsamen Erholung. Die Welt hat sie bitter nötig.
4 Antworten auf „Zeichen unserer Zivilisation – Müll auf unserer Reise“
Hallo,
Icg bin gerade in Kolumbien unterwegs und auch hier herrscht das Müllproblem noch schlimmer als bei uns in Deutschland. Zuhause hab ich schon versucht müllarm zu leben und bin in den Bio- oder Unverpackt-Laden einkaufen gegangen. Das gibts nun hier leider nicht und als Backpacker finde ich es nochmal schwieriger, weil man ja keinen Hausstand an Zutaten zum Selbermachen mit sich rumschleppen kann und will. Mich würd deshalb mal interessieren, wie ihr das auf eurer Reise so handhabt und ob ihr vielleicht ein paar Tipps für mich habt.
LG aus Kolumbien
Liebe Katarina,
ja, es ist ziemlich schlimm und notwendig zugleich, wie uns allen auf Reisen vor Augen geführt wird, dass die Welt ein großes Müllproblem hat. Es regt uns vor allem auch deshalb auf, weil wir gerade in Asien ein großes Problem haben, Müll zu reduzieren. Wir handhaben vieles so: Frisch auf Märkten einkaufen, immer einen eigenen Rucksack oder Beutel dabei haben, resolut Plastiktüten im Supermarkt ablehnen (da muss man sich ordentlich anstrengen, Rucksäcke sind irgendwie ih und unhygienisch in den Augen vieler Verkäufer) und was die Ausrüstung angeht, einfach auf wirklich wirklich durable Sachen setzen. Bei uns hat sich bewahrheitet: Was gute Qualität ist, sieht auch nach Monaten noch gut aus, alles Minderwertige musste schnell ersetzt werden. Speziell für den Transport von Essen haben wir tatsächlich noch einen guten Tipp: In Nordthailand gibt es Warmhaltetürme aus Metall, die aus einzelnen kleinen Töpfen bestehen, die übereinander gestapelt und dann mit einem Riegel gesichert werden. Vier übernandergestellte Töpfe ergeben für uns als dreiköpfige Familie ein ordentliches Essen – und alles bleibt warm! Plastik fällt so auch nicht an. Eine gute Alternative, wenn keine Küche zur Hand ist, man sich aber trotzdem mal was vom Restaurant mit nach Hause nehmen will.
Alles Liebe aus Agra,
Olaf
Ich beginne nun vieles, was ich nicht plastik-/ alu-/ etc.-frei u n d bio bekomme, selbstzumachen. Nudeln bspw. Und wenn selbstmachen zu aufwendig ist und sich keine Alternative findet, dann ist die Alternative eben: Einfach nicht kaufen! Es gibt genügend andere Lebensmittel, die müllfrei in Bioqualität zu bekommen sind.
Plastik ist so alltäglich geworden, dass es unverzichtbar scheint. Das Problem ist so groß, dass man es lieber ignoriert.
Dabei ist ein müllarmer Lebensstil einfach und angenehm – sofern man einmal den Hintern hochbekommen und sich umgesehen hat.
Es gibt ja mittlerweile sogar feste Shampoos, die in einem Hauch Papier verschickt werden und wie die Konventionellen funktionieren. Oft ist also gar kein Verzicht nötig.
Das stimmt, aber man muss überhaupt erstmal anfangen, sich mit der Thematik auseinander zu setzen. Bevor wir uns wirklich informiert haben schien es, als wäre der Verzicht oder sogar das Reduzieren von Plastik unschaffbar. Inzwischen finden wir überall im Netz (und in Facebookgruppen) so tolle Hinweise und Tipps. Ich glaube, Plastik ganz aus unseren Leben zu verbannen wird richtig Spaß machen. Es wird, denke ich, eher wie eine Schatzsuche, die ein gutes Gefühl macht. Neues zu entdecken, das wir guten Gewissens kaufen können und viele Dinge selber herstellen kann doch ziemlich sinnstiftend sein, nicht?