„Was ist aus dem goldenen Zeitalter der Familie geworden?“
grübelt es im Feuilleton von FAZ.net. (Zur schnellen Aufklärung: Gemeint sind die fünfziger und sechziger Jahre.) Genauer gesagt grübelt dort Ex-FAS-Wirtschaftsressortleiter Rainer Hank: „Wo steckt die gute Hausfrau?“ Ja, wo nur? Wo könnte sie sein? Wahrscheinlich im Büro, Herr Hank, oder auf einem Elternabend, weil der Partner heute laut Plan schon die Kinder abgeholt und Abendessen gemacht hat. Ich ärgere mich selten, weil ich das normalerweise unproduktiv finde. Aber irgendwie hat diese Kolumne mein kreatives Mecker-Zentrum getroffen.
Der peinliche Abgesang auf das goldene Zeitalter der Familie
Ein Großteil der Arbeit, die wir als Eltern machen, ist von außen nicht sichtbar. Kinderbetreuung, Haushalt und die Organisation einer ganzen Gruppe von Menschen allein schluckt eine Wochenarbeitszeit von 69 Stunden. Ja, neunundsechzig Stunden. Stunden, in denen Eltern sich nicht weiterbilden können, keine Zeit haben, ihre Freundschaften zu pflegen oder auch nur mal vernünftig zu duschen. Es ist gemein, wenn gerade Frauen sich darüber hinaus auch noch dafür rechtfertigen müssen, wenn sie sich intellektuell nicht abgestellt fühlen wollen. Frei nach dem Motto: Was könnten Frauen neben der Mutterrolle denn sonst noch so vom Leben wollen?! Für Väter gilt eher die umgekehrte Beweislast: Du bist Mann und kümmerst dich zusätzlich noch so’n bisschen um dein Kind? Oh Yeah! Du geile Sau! Irgendwas kann nicht stimmen, wenn ich als Vater das Gefühl habe, ich gelte plötzlich als Superheld, weil ich Windeln wechseln kann:
Der Feminismus ist an allem schuld!
Ursache für diese gesellschaftlichen Verirrungen ist für Herrn Hank der feministische Narrativ:
Ja, Schande über diese Suffragetten, die das Bild der guten Hausfrau vom Heimaltar genommen und in die Mülltonne des ewigen Vergessens geschmissen haben! Schön, wenn es so wäre, aber allein die Tatsache, dass sich jemand lauthals darüber beschwert, zeigt, dass das Bildnis noch nicht ganz so abhanden gekommen sein kann in gewissen Köpfen, wie es vielleicht wünschenswert wäre.
Dankenswerterweise hat Magarete Stokowski in ihrer aktuellen Kolumne „Das goldene Zeitalter der Unterdrückung“ eine moderne feministische Antwort auf Männer wie Herrn Hank gefunden, die darüber schreiben, wie sie die guten alten Tage vermissen, in denen Frauen weder rechtlich noch gesellschaftlich irgendetwas durften. Interessanterweise nennen beide die Familie als Thema, reden aber grundsätzlich über die Rolle der Frau. Dabei ist die moderne Eltern-Perspektive auf das Thema mindestens genauso spannend.
Vorgegebene Rollen und Machtmissbrauch
Denn die gesellschaftliche Rolle der Frau war und ist immer auch Spiegel der akzeptierten Familienformen: Laut Herrn Hank gab es in den goldenen Fünfzigern und Sechzigern praktisch keine Scheidungen, viele viele Kinder und – sieh an – kaum Alleinerziehende: „Die Rollen waren vorgegeben. Man muss das nicht zwangsläufig spießig finden.“
Nö. Man muss auch nicht zwangsläufig der Ansicht sein, dass der Himmel blau ist. Aber auf mindestens schräge Blicke aufgrund von offensichtlicher Unwissenheit sollte man sich bei Behauptungen solchen Kalibers schon einstellen.
Für jemanden wie Herrn Hank, der nie Hausfrau war und allein vom segensreichen Wirken seiner Mutter profitiert hat, ist es leicht zu sagen, dass der Haushalt „Macht und Stärke“ bietet. Leider bietet er keinerlei finanzielle Absicherung und die vermeintliche Macht löst sich im potentiellen Machtmissbrauch des Ehemanns auf. Wenn das Leben als geschiedene alleinerziehende Frau gleichzusetzen ist mit finanziellem Ruin, entpuppt sich das heile Familienbild der Fünfziger und Sechziger als Zwangsgebilde, dem heute glücklicherweise viele verschiedne Familienmodelle entgegenstehen. Warum das damals ein „goldenes Zeitalter“ für irgendwen gewesen sein soll, erschließt sich mir jedenfalls nicht – aber vielleicht habe ich auch nur zu lange abgewaschen.
Hausarbeit ist doof
Denn Hausarbeit macht einfach keinen Spaß. Punkt. Deshalb haben kluge Frauen Geräte wie die Geschirrspülmaschine erfunden. Danke dafür, Josephine Cochrane! Hier wären Denkmäler wirklich einmal angemessen! Leider sieht Herr Hank auch in diesen Errungenschaften der Zivilisation nur eine versteckte Kapitalisierung der weiblichen Arbeitskraft. Geräte, die die Hausfrau einmal entlasten sollten, werden so nachträglich als die Ursachen für den Zerfall der Familie gedeutet.
Das ist schon ziemlich perfide. Entweder, die Feministinnen sind schuld mit ihrem aufklärerischen Gedankengut am Auseinanderbrechen der bürgerlichen Ordnung (und haben diese dann auch noch hinterrücks mit ihrer eigenen Weltsicht zugedeckt). Oder die modernen Küchengeräte haben sich gegen uns verschworen, um die Frau im globalen Arbeitsmarkt zu versklaven. Aha. Irgendwie greift mir das zu kurz. Könnte es nicht auch ein bisschen daran liegen, dass Eltern und Familien derzeit einfach viel abverlangt wird?
Eltern als unerkannte Leistungsträger
Eltern sind heute genauso in die Leistungsgesellschaft integriert wie alles andere. Das ließe sich noch mit dem Verweis, ein „erfolgreiches kleines Familienunternehmen“ zu führen, weg lächeln. Das gipfelt in der Erwartungshaltung der Gesellschaft, dass Eltern neben Haushalt und Kindererziehung auch noch Vollzeit arbeiten können sollen und trotzdem am Abend noch auf einer Cocktailparty a) auftauchen und b) in irgendeiner Form ansprechbar zu sein haben. Das ungefragt vorauszusetzen und sich dann zu beschweren, wenn Eltern an diesen Ansprüchen reihenweise scheitern (und sich dann auch noch selbst die Schuld daran geben), ist mies. Noch mieser ist aber, zu behaupten, dass alles komme nur daher, weil die Frau früher eben dem kapitalistischen Markt entzogen war und die wollenen Unterhosen immer freundlich gefaltet im Schrank lagen. Anstatt einmal zu beleuchten, warum die Rahmenbedingungen heutzutage für Familien so ungünstig sind, dass alle Elternteile arbeiten müssen und die Zeit mit den Kindern eher zur Nebensache oder gar zur Belastung verkommt, ist es natürlich sehr einfach, sich in ein Retro-Utopia zurückzuträumen.
Saufen und ansonsten den Mund halten
Wer behauptet, dass Frauen früher ein erfülltes Leben als Hausfrau führen konnten, verkennt, dass ihnen einfach nur keine Wahl gelassen wurde. Dazu Magarete Stokowski:
„Frauen durften in der Bundesrepublik bis 1962 ohne Erlaubnis ihres Ehemannes kein eigenes Konto eröffnen. Bis 1969 waren Ehefrauen nicht geschäftsfähig. Bis 1972 gab es keine gesetzliche Altersversicherung für Nichterwerbstätige. Und erst 1977 hatten Ehemänner nicht mehr das Recht, ihre Frauen vom Geldverdienen abzuhalten, wenn sie das Gefühl hatten, dass die Frau deswegen den Haushalt vernachlässigt. Goldene Zeiten waren es insofern, als die gesellschaftlich akzeptierte Lösung für Frauen, die das alles nicht ertrugen, „Frauengold“ war, sprich: Alkohol. Die goldene Tugend für Frauen war: Maul halten und mitspielen.“
Ich wäre als Partner, Vater und Mann aufgeschmissen, wenn sich meine Frau einzig und allein auf die Domäne Haushalt und einen ordentlichen Schluck Frauengold zurückziehen würde. Erstens bin ich der einzige in unserer Familie, der Wäsche ordentlich zusammenlegen kann. Zweitens ist meine Frau ein Genie, wenn es darum geht, dringende Arbeit in Minuten bestens strukturiert zu erledigen. Drittens sind wir zusammen ungefähr zehnmal so kreativ und effizient als alleine. Darauf soll ich jetzt verzichten? Schön blöd wäre das von mir – und ganz schön rückständig.