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Positive und negative Orte

Wir haben auf unserer Reise schon viele Tempel und andere heilige Stätten besichtigt. Darunter waren Orte, die unzweifelhaft eine große Energie abstrahlen. Um diese Kräfte wahrzunehmen, muss man nicht gläubig sein, nur aufmerksam. In einigen taiwanesischen Tempeln wurden wir beim Betreten von selbst ruhig; nicht, weil ein Schild es verordnet, sondern weil die Präsenz des Heiligtums es nahelegte. Meist erkennt man diese Stätten daran, dass sich alle Besucher unbewusst ähnlich verhalten. Sind sie besonders ruhig und kontemplativ, spricht das für eine starke Erfahrung. Sind sie unruhig und angestrengt, findet ebenfalls ein Erleben des Ortes statt, nur mit umgekehrten Vorzeichen: Besonders umkämpfte Tempel mit einer dunklen Geschichte haben häufig auch eine negative Aura, die sich wie ein Mantel über einen stülpt. Ein gutes Beispiel sind die schwarz verrußten, fensterlosen Räume im Innern der Cham-Türme vor Nha Trang in Vietnam. Die roten, phallischen Gebäude, ursprünglich erbaut vom Volk der Cham, deren fugenlose Bauweise bis heute nicht reproduzierbar ist, gingen im Lauf der Jahrhunderte durch verschiedene Hände – Hinduisten und Buddhisten raubten Reliquien oder gestalteten die Andachtsräume um. Die Geschichte der Bauwerke ist auch ein Spiegel der Kriege, die in der Region geführt wurden. Alle Türme sind heute noch häufig besuchte religiöse Heiligtümer, mit Bonsaigärten und folkloristischen Tanzgruppen im Vordergrund. Dennoch wird man das beunruhigende Gefühl nicht los, dass es am sichersten ist, sich direkt an die Wand zu pressen und sich schnell zum Ausgang zu schieben.

Ähnliche Empfindungen hatten wir jeweils in der von den Nationalsozialisten komplett zerstörten Stadt Lidice und im Konzentrationslager Theresienstadt. Die ganze Landschaft sieht dort krank aus. Wenn man die negativ aufgeladenen Orte nicht von ihrer Energie reinigt, läd sich der Ort immer weiter mit all den schweren Gedanken auf, die die Besucher an ihn herantragen. So findet keine Auseinandersetzung statt, sondern nur Stumpfsinn.

Im Grunde sind alle Plätze, die den Besuchern ein schlechtes Gefühl vermitteln, Orte, die nicht richtig kommunizieren. Gedenkstätten, die an vergangene Gräueltaten erinnern, sind somit eigentlich eine gute Einrichtung, weil sie zur Kommunikation einladen. Häufig genug werden aber auch sie aus Unsicherheit unberührbar. Dass sich die Leute in Berlin darüber aufregen, dass Menschen zwischen dem Holocaust-Mahnmal picknicken und die Stelen beklettern, ist traurig. Eigentlich sollten wir dort jedes Jahr ein Fest des Lebens feiern, um uns an all die Leben zu erinnern, die so viel Gutes beinhalteten. Wir sollten negative Orte umwidmen, bunt streichen, beleben und so die dortigen Geister befrieden. Wenn wir es nicht schaffen, der Landschaft dabei zu helfen, mit ihrer Vergangenheit Frieden zu schließen, wie sollen wir es denn selbst tun? Erst als friedvolle Stätten kommunizieren Plätze, an denen etwas Böses geschehen ist, wieder mit uns. Wenn wir alles konservieren, können wir nichts lernen und haben keinen Nutzen von der enormen spirituellen Kraft, die viele Tempel umgibt.

Von Olaf

Auf der Reise zu sich selbst. Minimalist. Reiseblogger. Glücklicher Papa.

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